Seit Anfang August besteht in der Köpenicker Allee 146 in Karlshorst eine Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge. Auf dem ehemaligen Telekom-Gelände betreibt das Deutsche Rote Kreuz die Notunterkunft Karlshorst (NUK) mit 1.000 Plätzen. Durch die Fluktuation der Menschen, die z.T. von hier auch in andere Bundesländer weiter verteilt werden, schwankt die genaue Belegungszahl, liegt aber meist bei über 900 Personen. Die lange leerstehenden Gebäude mussten für ihren gegenwärtigen Zweck erst einmal hergerichtet werden. Fertig ist man damit noch lange nicht, nicht einmal jede Ecke und jeder Raum konnten bisher erkundet werden.
Der Vorstand des Bürgervereins Karlshorst wurde eingeladen, sich ein Bild von der Einrichtung zu machen.
Am 2. September 2015 führte uns der Heimleiter Ingo Büchner-Fenner durch die Einrichtung und sprach anschließend mit uns über Perspektiven und Ideen für die NUK. Mit derzeit 30 hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie vielen ehrenamtlichen Helfern ist er dabei, die Einrichtung so zu gestalten, dass sie den Asylbewerbern mit etwa 26 Nationalitäten eine Unterkunft bietet. Dazu gehört nicht nur viel Organisationstalent und Stressresistenz sondern auch reichlich Fingerspitzengefühl im Umgang mit unterschiedlichsten Befindlichkeiten und traumatisierten Menschen. Ganz praktische Fragen stehen dabei auch an. Naturgemäß ist in einem solchen Heim viel unfreiwillig freie Zeit vorhanden, die gefüllt werden muss. Einige Beispiele: – Betonflächen stehen z.B. zum Fußballspielen zur Verfügung, die geeignetere Grünfläche ist hoch überwuchert. Auf Vermittlung des Bürgervereins rückten zwei Tage nach unserem Besuch Mitarbeiter des bezirklichen Natur- und Grünflächenamtes an, um sie zu mähen. – Nach „unseren Maßstäben“ sind Fußball, Volleyball usw. sicher tolle Freizeitideen. Nachfragen bei den Bewohnern ergaben aber zudem reichlich Nachfragen nach Schachspielen. – Eine Fahrradstation wurde eingerichtet, in der auch defekte Fahrräder repariert werden. Einige Kinder haben erst in der NUK Radfahren gelernt. Wir konnten insbesondere einen stolzen, strahlenden jungen Radfahrer mehrfach sehen. – Wir haben im nachfolgenden Gespräch u.a. angeboten, Kiezspaziergänge in Karlshorst für die Bewohner anzubieten. Das Problem sind dabei nicht die notwendigen Übersetzungen, die können abgesichert werden. Vielmehr verlassen viele das Gelände nicht von selbst, weil sie viel zu sehr mit sich und ihrer Situation beschäftigt sind. Ein „Gruppenausflug“ in Form eines solchen Kiezspaziergangs macht es ihnen sicher leichter, einmal herauszukommen, aber dabei ist Fingerspitzengefühl gefragt.
Auch andere Ideen sind im Entstehen, so Patenschaften, Musik- und andere Kulturveranstaltungen, Besuche für Bürger in der Einrichtung, ein Faltblatt mit Informationen von Gesundheitsamt, Polizei und Gewerbetreibenden, in dem Tatsachen mit Vorurteilen aufräumen sollen… usw. Auch eine „Helferparty“ als Dankeschön für die vielen Ehrenamtlichen ist angedacht. Alle diese Ideen müssen noch konkrete Formen annehmen und wir freuen uns über Unterstützung bei der Umsetzung.
Unser Gesamteindruck nach Rundgang und Gespräch: Sicher konnten wir in so kurzer Zeit keine Detailkenntnisse erwerben, aber die Flüchtlinge sind in Karlshorst in guten Händen. Die ganze Einrichtung macht einen gut strukturierten, ordentlichen und zunehmend professionellen Eindruck, wozu auch viele der Flüchtlinge selbst beitragen.
Gegen 20.30 Uhr, zum Ende unseres Gesprächs, erhielt Herr Büchner-Fenner einen Anruf: Ein Bus mit 50 neuen Flüchtlingen sei gerade eingetroffen. Die Menschen müssen versorgt werden: Registrierung, Erstversorgung, Zimmerzuteilung usw. Erst gegen 1 Uhr nachts war das alles erledigt. Arbeit in der NUK bedeutet 24-Stunden-Dienst. Ohne ehrenamtliche Helfer ist das nicht zu stemmen.
Impressionen von unserem Besuch: